Leseprobe “Schicksalsmond”: Band 7

Das Haus der Fabrici ist nicht allzu weit entfernt von Mr. Cunninghams Anwesen, sodass ich den Bus nehmen kann. Ayden hat versprochen, dass er Kate mit dem Motorrad mitnimmt. Ich bin gespannt, wie sie die Fahrt überstehen wird. 

Vor dem Eingang warte ich auf die beiden. Es dauert zum Glück nicht lange, da tauchen sie auf. Ayden parkt die Maschine und sie steigen ab. Kate sieht toll aus. Sie hat sich für eine schwarze Hose und einen weinroten Kaschmirpullover entschieden. Gutgelaunt kommt sie mir entgegen und umarmt mich. 

»Na, bereit für einen tollen Abend?«, fragt sie. 

»Klar«, erwidere ich und gehe mit ein paar unsicheren Schritten auf Ayden zu. Inzwischen ist es mir so in Fleisch und Blut übergegangen, immer darauf zu achten, ihm nicht sofort in den Arm zu fallen, dass ich einen Augenblick zögere. Doch Ayden kennt diese Zurückhaltung nicht. Er kommt auf mich zu, beugt sich zu mir hinab und küsst mich so innig, dass mir kurz der Atem stockt. 

»Ich sagte doch, es wird ein toller Abend«, witzelt Kate. 

Es fällt mir schwer, von Ayden abzulassen, wenn ich endlich wieder meine Hände um seine Taille legen und diese unglaublichen Lippen auf meinen spüren kann.

»Du scheinst ja beste Laune zu haben«, stellt er an Kate gewandt fest. 

»Wie könnte ich nicht?«, will sie wissen. »Schaut euch nur um: Wir stehen vor dem imposanten Haus eines obersten Ratsmitglieds, es wird bestimmt wundervolles Essen geben, die Nacht ist herrlich klar, die Sterne leuchten über uns, der Mond strahlt.«

»Welche Sterne?«, frage ich lachend. »Wir sind noch immer mitten in der Stadt, hier sieht man am Himmel rein gar nichts leuchten.«

»Auch damit wirst du meine Stimmung nicht trüben können«, erwidert sie, hakt sich bei mir unter und gemeinsam gehen wir zur Tür. 

Wir werden von einem Angestellten empfangen und in den Saal geführt. Mit meinem knielangen Rock und der dunklen Bluse komme ich mir mal wieder vollkommen underdressed vor. Ich gebe dem Bediensteten meine Jacke, meine Tasche behalte ich allerdings bei mir. Darin befinden sich auch die Gegenstände, die ich bei der Suche nach der Bibliothek der Göttinnen gefunden habe. Niemals würde ich sie irgendwo liegenlassen. Ich ziehe die Tasche etwas enger an mich und wende mich wieder dem Saal zu. 

Natürlich haben es sich die anwesenden Gäste nicht nehmen lassen, ihre prachtvollsten Roben überzuwerfen. Überall funkeln teure Uhren und wertvolle Schmuckstücke im Licht der Lüster um die Wette. 

»Es sind in der Tat nicht sehr viele junge Leute hier«, stelle ich fest. 

In der Menge entdecke ich Claires Mutter, die mit hochgesteckten Haaren und einem atemberaubenden Kleid neben einem hochgewachsenen Mann mit dunkelblondem Haar steht. Er trägt einen Anzug, der wie auf die Haut geschneidert sitzt. Seine Gesichtszüge sind schön und ebenmäßig. Bei ihnen entdecke ich auch Claire, die mitten in eine Unterhaltung vertieft ist. 

»Ist das ihr Vater?«, will ich wissen. 

Ayden folgt meinem Blick und nickt. »Das ist Paxton Cunningham. Er stammt aus der Familie Morgan, die ihr Geld im Finanzsektor und mit Goldhandel gemacht hat. Er ist allerdings nur ein entferntes Mitglied und hat darum den Namen seiner Frau angenommen. Er ist viel auf Geschäftsreisen, Claire bekommt ihn nur selten zu Gesicht. Aber offenbar ist er für ihre Prüfung extra angereist.«

»Ebenso wie ihre Mutter«, wie ich feststelle. 

In diesem Moment dreht sich Claire zu uns um und lächelt uns freudestrahlend zu. Sie entschuldigt sich kurz, dann macht sie sich auf den Weg, um uns zu begrüßen. 

»Schön, dass ihr hier seid. Leider werdet ihr den Altersdurchschnitt auch nicht maßgeblich senken können. Meiner Familie war es wichtig, wirklich jedes Ratsmitglied einzuladen, und die meisten sind nun mal jenseits der vierzig.« Sie lächelt und strahlt Ayden an. »Meine Eltern freuen sich schon den ganzen Abend auf dich und wollen sich unbedingt ein wenig mit dir unterhalten. Ihr habt doch nichts dagegen, wenn ich ihn kurz entführe?«, will sie von Kate und mir wissen, wartet aber erst gar nicht auf eine Antwort. Sie zieht ihn mit sich und lässt uns beide stehen. 

»Tja, so schnell werdet ihr ihn wohl nicht wiedersehen«, sagt eine Stimme hinter uns. Überrascht drehen wir uns um und entdecken Vicky.

Sie sieht aus wie ein Supermodel, das gerade eine Gala besucht. Ihr silbernes Kleid funkelt und bringt ihre Figur äußerst gut zur Geltung. 

»Ihre Eltern würden Claire niemals etwas abschlagen. Du kannst dich also darauf gefasst machen, dass sie alles unternehmen werden, um ihrem Augenstern auch diesen Wunsch zu erfüllen.«

Ich sehe zu Ayden, der sich mit Claires Familie unterhält. Er macht einen offenen und gut gelaunten Eindruck. Nur Claire stört mich in diesem Bild. Sie hält seine Hand und schmiegt sich an seine Schulter. Dazu der träumerische Blick, mit dem sie Ayden betrachtet. Mein Magen zieht sich zusammen, während sich mein Herz an Claires Stelle wünscht. Nichts würde ich gerade lieber tun, als bei ihm zu sein. 

»Tja, das solltest du dir besser aus dem Kopf schlagen. Zumindest für heute Abend. Lass Claire ihren Willen, vor allem vor ihren Eltern. Ansonsten gibt es nur Ärger«, rät mir Vicky.

»Sie wird irgendwann lernen müssen, dass sie nicht alles im Leben bekommen kann«, erklärt Kate mit ruhiger Stimme, während sie zu der Gruppe hinübersieht. »Es wird noch viele Enttäuschungen in ihrem Leben geben. Sie kann nicht jedes Mal wie in kleines Kind darauf reagieren.«

Vicky zuckt mit den Schultern. »Das mag sein. Aber im Moment ist dieses kleine, bockige Kind so etwas wie eine Königin. Ihr Wille ist Gesetz. Glaub mir, verscherz es dir nicht mit ihr. Zumindest nicht, solange sie auf dem Thron sitzt.« 

Mir ist klar, worauf sie anspielt. »Selbst wenn ich meine Kräfte im Griff hätte, wäre ich niemals so viel wert, wie es eine angehende Göttin ist.«

»Das ist aber auch nur der Fall, wenn sie diesen Status weiter aufrechthalten kann. Nur ein Fehler in einer der Prüfungen, und das war’s. Das sollte doch Motivation genug sein, um weiter an sich zu arbeiten, findest du nicht?«

Ich ächze und schüttele genervt den Kopf. »Wenn das mal so einfach wäre.«

»Bis dahin wirst du auf jeden Fall nichts anderes machen können, als die Füße stillzuhalten. So schwer es auch fällt.« Damit dreht sich Vicky um und lässt Kate und mich stehen. 

Ein schallendes Lachen ertönt. Ich drehe mich zu Claire um, die sich über einen Witz amüsiert haben muss und nun wie selbstverständlich ihren Kopf auf Aydens Schulter legt. Möglicherweise hat Vicky recht und ich sollte die Situation zum Anlass nehmen, mehr an mir zu arbeiten. Im Moment kann ich nicht viel gegen Claire ausrichten, dabei macht mich allein der Anblick von Ayden und ihr unsagbar wütend. Ich sollte dieses Gefühl nutzen und meine Fähigkeiten verbessern. Dabei geht es nicht mal darum, dass die Gabe mir in der Zukunft Türen öffnen könnte. Nein, ich will es für mich selbst machen. Für mein Selbstwertgefühl. 

Die Cunninghams sagen irgendetwas zu Ayden. Sie wirken so vertraut miteinander, wie sie dastehen und reden. Ich kann nicht verhindern, dass ich mich ausgeschlossen fühle und in diesem Moment gerne bei meinem Freund wäre, an dessen Arm aber dieses fremde Mädchen hängt. Plötzlich setzt sich die Gruppe in Bewegung und geht in Richtung Büffet. Ayden reicht Claire etwas zu Trinken und wirft dabei einen Blick über die Schulter in meine Richtung. Ich sehe ihm an, wie schwer es ihm fällt, diese Rolle zu spielen. Er macht sich Gedanken um mich. Ich lächele und nicke ihm zu als Zeichen, dass alles okay ist – was natürlich eine Lüge ist. Aber was soll ich anderes tun? 

Als Claire sich ein Häppchen nimmt und versucht, Ayden damit zu füttern, wird es mir dann doch zu bunt. Es hilft auch nicht, dass er es nicht zulässt und irgendetwas Scherzhaftes zu ihr sagt, woraufhin sie amüsiert kichert. 

»Ich glaube, ich muss mal kurz frische Luft schnappen«, sage ich zu Kate. 

»Soll ich mitkommen? Oder willst du lieber einen Moment allein sein?«

»Wenn es okay ist, gehe ich kurz allein. Ich bin auch gleich zurück.«

»Ich wende mich dann mal dem Büffet zu«, verkündet Kate und reibt sich die Hände. »Ich habe extra nichts gegessen und werde mich an die ganz besonderen Leckereien halten.«

»Lass es dir schmecken«, erwidere ich grinsend und sehe ihr nach, wie sie sich in Richtung Dessert-Büffet begibt. Ich verlasse den Saal und fühle mich schon deutlich erleichtert, kaum dass ich den Geräuschpegel und die vielen Menschen hinter mir gelassen habe. 

Durch den Flur gelange ich in eine Art Halle, deren Decke von etlichen Holzsäulen gestützt wird. An den Wänden hängen jede Menge Gemälde, sodass ich das Gefühl habe, in einer Galerie gelandet zu sein. Die Namen der Künstler sagen mir nichts, doch sind die Bilder selbst sehr eindrucksvoll. Neben Landschaftszeichnungen sehe ich auch Porträts und Stadtszenen. Manche Gemälde müssen schon recht alt sein, was sich allein am Kleidungsstil der darauf abgebildeten Personen erkennen lässt. Froh um diese willkommene Abwechslung gehe ich umher und schaue mir die Bilder in Ruhe an. 

Nach einer Weile höre ich Schritte hinter mir. Ich drehe mich um und entdecke Ayden, der auf mich zukommt. 

»Na, was machst du hier?« Er streckt den Arm nach mir aus und zieht mich an sich. »Tut mir leid, dass ich nicht bei dir sein kann. Es ist bestimmt nicht einfach für dich.«

»Wir können im Moment nichts daran ändern, und genau das macht es so schwer.« 

Ich lege meine Arme um seinen Nacken und sehe ihn an. Es tut unendlich gut, dass er hier ist und ich ihn spüren kann. Ein besseres Heilmittel könnte es gar nicht geben, um all die düsteren Gedanken aus meinem Kopf zu vertreiben. 

»Und ich weiß, dass es auch für dich nicht einfach ist. Auf jeden Fall war dir das recht deutlich anzusehen, als sie versucht hat, dir das Essen in den Mund zu stopfen.« Immerhin kann ich über diese Erinnerung lachen. 

Ayden verdreht die Augen und schnaubt leise. »Ich hätte sie wirklich am liebsten stehen lassen.« Er beugt sich vor und lässt seine Lippen über die nackte Haut meiner Schulter streifen. »Zumal ich gehofft hatte, dass ich die Zeit heute besser nutzen kann, wenn wir uns schon mal sehen können.«

»Tja, das wird Claire wohl zu verhindern wissen.«

»Sie ist in ein Gespräch mit Mr. Montrell vertieft. So schnell kommt sie da nicht weg. Er quatscht wirklich gerne, und das ohne Punkt und Komma. Wir haben also Zeit«, fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu und lässt seine Finger über meinen Rücken gleiten. 

Mein Körper reagiert sofort auf die Berührung, und ein süßes Prickeln rinnt über meine Haut. Ich sehe zu ihm hoch, fange das Funkenspiel seiner Augen auf und küsse ihn. Er knabbert an meiner Unterlippe, neckt mich und sorgt dafür, dass unser Kuss schnell intensiver wird. Das Blut rauscht durch meinen Körper, während ein sehnsuchtsvolles Feuer in mir zu lodern beginnt.

Ich ziehe Ayden noch näher an mich, spüre seinen Atem, der über meine Haut rinnt, und halte mich an seiner Taille fest. Wie von selbst begeben sich meine Hände auf Wanderschaft und schieben sich unter sein Hemd. Es fühlt sich unfassbar gut an, seine nackte Haut zu berühren, die Wärme in mich aufzunehmen, seine Muskeln zu fühlen. Wie sehr ich es vermisst habe, ihn auf diese Weise spüren zu können. 

Ich keuche auf, während Ayden mich ein paar Meter mit sich zieht und mich an eine der Säulen drückt. Meine Arme hält er über meinen Kopf, während seine Zunge zärtlich über meinen Hals streicht und seine freie Hand meinen Körper erkundet. Erst ist sie auf meiner Taille, dann wandert sie höher, berührt meinen Hals, meine Seite und schließlich meine Brust. Er ist so zärtlich und zugleich so fordernd, dass ich glaube, es keinen Moment mehr auszuhalten. Ich lege den Kopf zurück, spüre die Kühle des Holzes und schließe genussvoll die Augen. 

Aydens Lippen sind an meinem Hals, küssen ihn ausgiebig und bedacht, als hätten wir alle Zeit der Welt. Er weiß natürlich, wie quälend süß diese Berührung ist und was sie mit mir anstellt. Ich will mehr, und ihm scheint es nicht anders zu gehen. Er schiebt seine Hand unter meine Bluse und streichelt mit den Fingerspitzen an meiner Taille und den Rippenbögen entlang. Ich verzehre mich nach seiner Wärme. Sie geht in mein Inneres über, und ich seufze wohlig auf.

Als ich die Augen öffne, fange ich seinen Blick auf: verhangen, voller Lust und Begehren. Ich presse meine Lippen auf seine und keuche leise, als seine Fingerspitzen meine Brust berühren und die weiche Haut streicheln.

»Ayden?«, ruft eine Stimme, die mir leider allzu vertraut ist. »Bist du hier?«

»Perfekter Zeitpunkt«, ächzt er und zieht mich ein Stück um die Säule herum, damit Claire uns nicht sehen kann. 

Doch natürlich dauert es nicht lange, bis sie uns dennoch entdeckt. Die kleine Falte zwischen ihren Brauen verrät, dass unser Anblick ihr gar nicht gefällt. Ihre Stimme hingegen ist zuckersüß. 

»Ich habe dich schon gesucht. Mein Dad wollte sich über den letzten Einsatz unterhalten, und zudem wird mein Großvater wohl auch gleich erscheinen. Er hat versprochen, heute Abend eine kleine Ansprache zu halten.«

Ayden wirft mir einen sehnsuchtsvollen Blick zu, und ich raune leise: »Ist schon gut.«

Er küsst mich auf die Wange und flüstert: »Nein, ist es nicht.« Schweren Herzens macht er sich von mir los und geht zu Claire. Als er bei ihr angekommen ist, dreht er sich noch mal nach mir um und streckt mir den Arm entgegen. »Kommst du?«

Ich nicke. Und obwohl ich weiß, dass es unvernünftig ist, Claire mit dieser Geste zu verärgern, bin ich dennoch unendlich froh, dass er sie macht. 

Ich folge ihnen, und wir kehren in den Saal zurück. Claire führt uns zu ihrem Vater, der bei einigen anderen Ratsmitgliedern steht. 

»Da ist ja mein wundervolles Mädchen. Ich sage Ihnen, sie wird unsere Welt verändern.« Er schenkt ihr ein stolzes Lächeln und wendet sich gleich darauf Ayden zu. »Wenn wir erst eine Schicksalsgöttin auf unserer Seite haben, wird den Tempes eine rosige Zukunft bevorstehen. So etwas wie mit Mr. Brian wird nicht wieder geschehen. Habt ihr seine Leiche inzwischen finden können?«

Ayden schüttelt den Kopf. »Nein, leider nicht. Die Suche gestaltet sich allerdings auch recht schwer, da wir keine Ahnung haben, wo er angegriffen worden sein könnte.«

»Tja, dann wird es Zeit, dass ihr das mal herausfindet. Immerhin gehört das zu den Aufgaben der Hunter«, ätzt ein kleiner, dicker Mann mit grauem Haar. 

»Nun ja, man muss eingestehen, dass die Umstände von Mr. Brians Verschwinden durchaus merkwürdig sind«, erwidert Paxton Cunningham. »Und ich finde wirklich, die Hunter leisten ganz wundervolle Arbeit.« Er lächelt Ayden aufmunternd an. »Wie läuft es mit dem Training im Moment? Ich habe gehört, dass Claire hin und wieder bei euch mitmachen darf. Ich hoffe, sie schlägt sich gut.«

Ayden nickt. »Ja, das tut sie. Claire ist wirklich eine ernst zu nehmende Gegnerin.«

Sofort lässt sich ihr Vater weiter in Lobeshymnen über seine wundervolle Tochter aus. Irgendwann ertrage ich es nicht mehr und gehe zum Büffet, um mich Kate anzuschließen. Die entdecke ich dort allerdings nirgends. Ich mache mich auf die Suche nach ihr und quetsche mich durch den vollen Saal. Plötzlich hält mich jemand am Arm fest und dreht mich zu sich um. 

»Gut, dass ich Sie allein treffe. Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen.« Matilda Cunningham schaut mich mit ihren hellen Augen an, in denen ich nur Kälte erkenne. Die Vermutung liegt nahe, dass sie mir nichts Nettes zu sagen hat. Ich würde gerne ablehnen und nach Kate suchen, aber die Frau lässt mir keine andere Wahl.

Sie führt mich durch einen Flur in einen kleinen Nebenraum. Darin steht ein Sofa, das mit dunkelblauem Samt bezogen ist. Bücherregale füllen den restlichen Raum. 

Claires Mutter bietet mir erst gar keinen Platz an. So stehe ich einfach nur da und warte darauf, was nun kommt. 

»Über was wollten Sie mit mir sprechen?«, frage ich, als sie keine Anstalten macht, das Gespräch zu beginnen. 

»Ich kann mir vorstellen, dass Sie sich das bereits denken können. Es geht um meine Tochter Claire und um Ayden. Wie ich hörte, sind Sie mit ihm in so etwas wie einer Beziehung?«

Ich verschränke die Arme vor der Brust und versuche, mir meinen Ärger nicht anmerken zu lassen. »Wir sind in einer festen Beziehung«, stelle ich richtig.

»Und Sie glauben tatsächlich, dass das eine Zukunft hat?« Matilda Cunningham steht gedankenversunken neben dem Regal und lässt ihre Finger über die Buchrücken wandern. Wenn man sie so ansieht, käme man nie auf die Idee, dass sie mir gerade wirklich solch eine dreiste Frage gestellt hat. 

»Allerdings. Das glaube ich nicht nur, ich bin sogar fest davon überzeugt.«

»Interessant. Ich dachte, Ihnen wären all die Schwierigkeiten bewusst, die Sie ihm mit dieser Tändelei auferlegen. Immerhin ecken Sie immer wieder beim Rat an, haben Ihre Kräfte nicht im Griff und kennen sich in unserer Welt auch weiterhin nicht so aus, wie es für ein Mädchen in Ihrem Alter eigentlich üblich ist. Ayden hat hervorragende Perspektiven, und Sie müssen erkennen, dass Sie ihm im Weg stehen. Ich bin mir sicher, früher oder später wird er merken, was ihn dieses Verhältnis mit Ihnen gekostet hat. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er Ihnen das nicht übel nehmen wird.«

»Sie kennen Ayden verdammt schlecht«, erwidere ich und überlege, ob ich mir dieses Geschwätz wirklich noch länger antun soll. »Er weiß ganz genau, mit wem er zusammen sein möchte, und würde mir niemals etwas vorhalten.«

»Das sagen Sie jetzt. Sie sind jung und natürlich spielen Ihre Hormone verrückt. Aber wenn Sie darüber nachdenken, dann müssen Sie zugeben, dass es eine deutlich bessere Wahl gibt.«

»Gut, dass Beziehungen keine Kopfentscheidungen sind – oder zumindest sollten sie das nicht sein. Genau darum ist Ayden mit mir zusammen und eben nicht mit Claire. Darauf wollen Sie doch hinaus, habe ich recht?«

»Claire ist eine Göttin. Verstehen Sie das? Wenn sie Ayden möchte, dann wird sie ihn auch bekommen. Sie kann ihn sich auch einfach nehmen, sobald ihre Kräfte erwacht sind. Sie haben gar keine Chance gegen Claire. Sie ist bereits jetzt eine hervorragende Kämpferin – etwas, das Ayden und sie verbindet. Sie hingegen passen nicht zu ihm, und irgendwann wird er Ihnen das Herz brechen. Geben Sie lieber auf und suchen Sie sich jemanden, den Sie auch halten können.« 

Ich kann nicht fassen, was diese Frau zu mir sagt. Meint sie das wirklich ernst?!

»Nun, denken Sie darüber nach und treffen Sie die richtige Entscheidung.« Damit dreht sie sich um und lässt mich mit all meiner Wut, meinem Hass und meiner Angst stehen.

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