Leseprobe Schicksalsreihe Band 8.

Ein Tanz voller Leichtigkeit. Als hätte der Wind ein genaues Bild vor Augen – Bewegungen, die er einer inneren Melodie folgend abspielt. Er lässt die kleinen, grauen Flocken durch die Nacht wirbeln, greift immer wieder nach ihnen, lässt sie eine erneute Drehung vollführen, bis sie auf ein Hindernis treffen und dort zu einem Fleck schmelzen. Die Ascheflocken bedecken meine Haut, mischen sich mit meinem Blut. Ich habe keinen Blick für meinen eigenen Körper, und auch meine Umgebung nehme ich nur am Rande wahr: verbrannte, schwarze Erde, so weit das Auge reicht. Der Himmel ist dunkel und von Rauch verhangen. Man kann den Ruß in der kalten Luft riechen. Der Gestank ist überall. Um mich herum, aber vor allem auf mir. 

Mein Brustkorb hebt und senkt sich, pumpt Luft in meine Lunge, die eigentlich zerstört sein müsste. Die Flammen haben mir zugesetzt, doch sie haben mich nicht vernichten können. Noch immer starre ich auf die Stelle, wo die dunklen Kreaturen verschwunden sind. Mit ihren Fäden aus Rauch haben sie die meisten meiner Verletzungen geheilt und mich dabei keinen Moment aus den Augen gelassen. Die ganze Zeit haben sie mich aus ihren hohlen, schwarzen Löchern heraus angestarrt, die Köpfe in Ehrfurcht geneigt. 

Todesboten, geht es mir durch den Kopf. So hat Claire sie genannt, als sie die Wesen durch meine Augen gesehen hat. Kurz bevor die Welt für mich untergegangen ist. Dieses Feld der Verwüstung – ich weiß, dass ich dafür verantwortlich bin, dass es meine Kraft, mein Schmerz gewesen sind, die sich entladen haben. 

Und noch immer höre ich seine Stimme: »Tess!«

Ich schaffe es nicht, mich zu rühren, nicht einmal einen Arm oder auch nur den Blick zu heben. Das alles kann nicht Wirklichkeit sein. Es kann einfach nicht. 

»Tess …« 

Dieses Mal ist die Stimme ganz dicht neben meinem Ohr. 

»Oh Gott, Tess«, sagt er, und kurz sehe ich zwei tiefgrüne Augen über mir, von denen ich weiß, dass sie mir einst die Welt bedeutet haben. In einer anderen Zeit, in einem anderen Leben. »Es wird alles gut.« 

Etwas Warmes wird um meine bloße Haut gelegt. Ein Pullover, wie ich feststelle. 

»Ich bringe dich erst mal hier weg, hörst du?« 

Ganz sanft werde ich hochgehoben. Ich registriere, dass ich an einen nackten Oberkörper gedrückt werde, und spüre, dass ich nicht allein bin. Nein, da sind viele. Unendlich viele Blicke haften auf mir und meinem entblößten, verletzten Körper. Instinktiv kauere ich mich etwas zusammen und hoffe, den vielen Blicken entgehen zu können. Doch in meinem Inneren weiß ich: Das wird niemals geschehen.

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