Leseprobe “Schicksalstraum”

Am 01.11.2021 ist es soweit! Schicksalstraum: Band 6 erscheint. Bis es soweit ist, habe ich noch einige Textschnipsel für euch, das Cover wird natürlich vorgestellt, ebenso der Klappentext. Zudem startet nächste Woche eine spannende Aktion, auf die ich mich schon wahnsinnig freue. So viel kann ich schon mal verraten: Der Rat braucht eure Hilfe und am Ende wartet eine tolle Überraschung auf euch. *-* Aber heute gibt es erst mal eine Leseprobe. Viel Spaß!

Ich lasse Yoru einen Ring aus Feuer werfen, konzentriere mich dabei ganz genau auf mein Odeon und kann spüren, wie es aus mir herausströmt, je länger Yoru den Angriff aufrechterhält. Ich versuche, die Menge anzupassen, sodass das Odeon mich nicht auf einen Schlag verlässt. Zum Abschluss versetze ich meinem Schlüsselgeist ein letztes Mal einen kleinen Energiestoß, und der Flammenring vergrößert sich, leuchtet auf und verpufft schließlich.

Ich ringe nach Atem und stütze mich auf den Oberschenkeln ab. Das Training ist eigentlich immer sehr anstrengend, aber seit ich von dem Test weiß, strenge ich mich noch mehr an. Ich habe keine Ahnung, was dabei auf mich zukommen wird, aber eines scheint sicher: Ich werde meine Kräfte brauchen und stark sein müssen.

»Bist du sicher, dass du weitermachen willst?«, hakt Kate am Ende der Stunde nach.

Ich nicke entschlossen. »Ich kann es mir nicht leisten, jetzt untätig zu sein. Auf keinen Fall darf ich versagen.« Allein die Vorstellung, dass ich dann bei den Fabrici wohnen muss, jagt mir eisige Schauer den Rücken hinab. Mir ist klar, dass diese Familie mir nicht allzu wohlgesinnt ist. Immerhin war ich beim Tod ihres Sohnes anwesend, und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie mir eine gewisse Schuld daran geben – zumindest Alfredo. Es ist also recht offensichtlich, dass ich dort keine schöne Zeit erleben würde. Mal davon abgesehen, möchte ich selbst über mein Leben bestimmen, und das kann ich nur, wenn ich nicht irgendwo eingesperrt werde.

»Soll ich bleiben und dir helfen?«, fragt Kate. »Wir können zusammen trainieren.«

»Du musst doch heute zu deinem Dad und deiner Mom nach Hause. Sie haben dich schon so lange nicht mehr gesehen, und ich weiß, wie ungemütlich deine Mutter werden kann, wenn ihre Pläne durcheinanderkommen.«

»Für dich würde ich es riskieren«, sagt sie mit einem schelmischen Grinsen.

»Schon gut. So, wie es aussieht, werde ich vermutlich in nächster Zeit jeden Nachmittag hier verbringen. Du kannst mir also noch oft genug Gesellschaft leisten.«

Kate nickt und hebt die Hand zum Abschied, dann bin ich mit Yoru allein in der Halle. Ich atme tief durch und mache mich erneut ans Training. Wieder versuche ich, Yoru verschiedene Angriffe starten zu lassen und ihm die Befehle dafür durch unterschiedliche Odeonimpulse mitzuteilen. Um auch an meiner Kondition weiterzuarbeiten, renne ich dabei durch die Halle, stelle mir imaginäre Gegner vor, denen ich ausweiche und die ich Yoru angreifen lasse.

Es dauert nur Minuten, da fühle ich jeden Muskel in meinem Körper brennen. Dennoch bin ich nicht bereit, aufzuhören. Noch hat der Rat mir keinen Termin für den Test genannt, ich bin mir aber sicher, dass sie nicht lange warten werden. Und genau darum darf ich keine Zeit verlieren.

Während ich weiter durch die Halle hetze und Yoru einen Feuerball nach dem nächsten wirft, überlege ich krampfhaft, wo ich mehr über diesen Test herausfinden könnte. Als Erstes denke ich an die Schulbibliothek, dann kommt mir die im Hunter-Gebäude in den Sinn. Vermutlich sollte ich es bei beiden versuchen. Ich kann mir zwar kaum vorstellen, dass es tatsächlich so einfach wird, an Informationen zu kommen, aber probieren muss ich es. Hinzu kommt, dass ich auf keinen Fall die Sache mit der Bibliothek der Göttinnen aus den Augen verlieren darf. Eigentlich hatte ich angenommen, nun Zeit zu haben, damit ich mich der Sache zusammen mit Noah annehmen kann, aber nun …

Ich stürze über meine eignen Füße, als Yorus Feuerball eine völlig falsche Flugbahn einnimmt und direkt vor mir auftrifft. Die enorme Hitze schlägt mir ins Gesicht.

»Mist«, zische ich.

Das war meine Schuld. Ich war unkonzentriert, und das überträgt sich in der Regel auf die Geister. Mühsam erhebe ich mich wieder und mache weiter. Ich darf nicht versagen!

Kapitel 7

Ich reibe mir die müden Augen und strecke mich. Seit über drei Stunden sitze ich nun in der Bibliothek der Hunter und versuche, etwas über den Schicksalstest herauszufinden. Bislang ohne Ergebnis. Die Buchauswahl war recht spärlich. Keines behandelt die Schicksalsgöttinnen, geschweige denn diesen Test. Wenn von den Göttinnen berichtet wird, dann als mystische Wesen, an die frühere Völker geglaubt haben. Außerdem gibt es Gedichte, die sich mit ihnen befassen – meist sind es verzweifelt klingende Menschen, die das Schicksal anflehen, gnädig zu sein, und sich damit an die Göttinnen wenden, ohne sich dessen bewusst zu sein.

Im Grunde ist es nicht verwunderlich, dass ich hier nichts finde. Denn auch Schülerinnen und Schüler haben Zugang zu diesen Büchern, und die Tempes versuchen alles, um die Göttinnen vor ihnen geheim zu halten.

Ich lese alles, was irgendwie mit den Göttinnen zu tun hat, in der Hoffnung, wenigstens auf eine Erwähnung des Schicksalstests zu stoßen. Es muss doch einen Hinweis geben, irgendeinen Tipp, wo ich mehr darüber erfahren kann.

Ich bin so in die Texte und Bücher versunken, dass ich gar nicht registriere, wer alles den Raum betritt und wieder verlässt. Erst als ich direkt neben mir eine Person wahrnehme, drehe ich mich erschrocken um. Zu meinem Entsetzen steht Mr. Brian dort und schaut mich interessiert an. Allein bei seinem Anblick fährt mir ein Schauder über den Rücken. Noch immer kann ich nicht vergessen, dass er das Bild meiner Großtante gestohlen und bei sich zu Hause versteckt hat. Auch all die Vorurteile, die er mir gegenüber hat, klingen in diesem Moment allzu deutlich in mir nach. Und trotzdem kann ich weder dem Direktor noch dem Rat von seiner Tat erzählen. Zum einen, weil ich dann erklären müsste, dass ich in sein Haus eingebrochen bin. Aber vor allem, weil ich dann auch von den Bildern berichten müsste. Und so sind mir die Hände gebunden, ebenso wie ihm. Zwei Menschen, die den jeweils anderen nicht sonderlich leiden können und dennoch irgendwie miteinander auskommen müssen.

Umso mehr erstaunt es mich, dass er nun vor mir steht und mich anspricht. Denn normalerweise versuchen wir, einander aus dem Weg zu gehen, so gut es geht.

»Sie in der Hunter-Bibliothek zu sehen, überrascht mich«, gibt er zu und schaut kurz über die Bücher, die ich vor mir ausgebreitet habe. »Schade nur, dass sich Ihre Büffelei nicht in Ihren Noten spiegelt.«

Er nickt hinter sich zu einem der Tische, wo er sich offensichtlich einen Platz gesucht hat, um unsere Tests zu korrigieren und zu lesen. Ich weiß, dass Mr. Brian oft hier ist und sich von der Bibliothekarin die neuesten Bücher zu Themen raussuchen lässt, die ihn interessieren. Von daher sollte mich sein Erscheinen nicht wundern.

»Ich hatte bisher nicht den Eindruck, dass Sie ein Bücherwurm sind.« Er hebt eines der Bücher hoch, liest den Titel und runzelt die Stirn. »Sie interessieren sich also für Gedichtbände?«

»Warum auch nicht? Poesie hält der Gesellschaft oft den Spiegel vor.«

Ein seltsames Lächeln taucht auf seinen Lippen auf. »Sie suchen wohl nach Texten über die Schicksalsgöttinnen. Habe ich recht?« Er nickt auf die aufgeschlagene Seite meines Buchs. »Ein schönes Gedicht, das sehr gut beschreibt, wie mächtig die Göttinnen sind. Doch hat das kaum etwas mit der Realität zu tun. Es sind nur Gedanken eines Menschen, der niemals einer Göttin begegnet ist. Sie sind jedoch vermutlich auf der Suche nach stichhaltigen Informationen.«

Es wundert mich ein wenig, dass Mr. Brian mich so schnell durchschaut hat. Immerhin könnte ich hier auch sitzen, um eine Hausaufgabe zu erledigen. Doch seine nächsten Worte sind wohl Erklärung genug.

»Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr Interesse einen ganz bestimmten Grund hat? Wie ich von Mr. Collins erfahren habe, hat der Rat beschlossen, Sie einem gewissen Test zu unterziehen. Ich denke, dass Sie mehr darüber in Erfahrung bringen wollen. Was nur verständlich ist. Es hängt für Sie wohl viel davon ab.«

Ich starre ihn an und kann nicht glauben, dass Mr. Collins ausgerechnet meinem Geschichtslehrer von der Besprechung und dem Entschluss des Rats erzählt hat. Wieso hat er das getan? Aydens Dad ist doch sonst so verschwiegen.

Ich bin mir nicht sicher, aber dieses Grinsen … genießt Mr. Brian etwa mein Erstaunen?

»Hier werden Sie jedenfalls nicht fündig werden«, erklärt er. »Informationen über die Schicksalsgöttinnen werden streng geheim gehalten. In einer Bibliothek, zu der jeder Tempes Zugang hat, werden Sie darum gewiss nichts finden. Und erst recht nicht über diesen Test.« So, wie er mich anschaut, scheint er einiges darüber zu wissen. Und er genießt diese Macht.

»Sie kennen diesen Schicksalstest?«, hake ich nach. Soll er sich doch an meinem vermeintlichen Unglück weiden, wenn ich dafür ein paar Informationen aus ihm herausbekomme.

»Ich unterrichte Geschichte nicht nur, ich liebe sie auch. Seit Jahrzehnten sammele und lese ich alles über die Themen, die mich interessieren. Und glauben Sie mir, kaum einer weiß so viel über die Göttinnen wie ich.«

Ich halte seinem kalten Blick stand, weiche nicht zurück und erwidere: »Vielleicht laden Sie mich dann mal nach Hause ein und zeigen mir einige Ihrer wertvollen Bücher?«

Er kneift erstaunt die Augen zusammen, denn die unterschwellige Drohung ist nicht zu überhören. Ich bin schon einmal bei ihm eingebrochen. Ich würde es kein zweites Mal wagen, aber das weiß er nicht. Und zu sehen, wie er unruhig wird, die Lippen öffnet, ohne einen Ton herauszubringen, und sich schließlich mit wütendem Blick von mir abwendet, ist eine Genugtuung für mich.

»Überlegen Sie sich Ihre nächsten Schritte gut. Machen Sie nicht noch einmal einen Fehler, denn dieses Mal werden Sie ganz sicher den Preis dafür zahlen müssen«, zischt mich Mr. Brian an.

Mit klopfendem Herzen sehe ich ihm dabei zu, wie er zu dem Tisch geht, die Tests und Bücher aufeinanderstapelt und den Raum mit schnellen Schritten verlässt. Genau in dem Moment betritt Kate die Bibliothek, und sie laufen beinahe ineinander hinein. Sie nickt dem Lehrer entschuldigend zu, der mit einem grimmigen Stirnrunzeln an ihr vorbeigeht. Kate kommt zu mir und lässt sich neben mir auf den Stuhl sinken. »Ich wollte mal nach dir sehen«, sagt sie und streicht sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ihre Hand zittert und auch sonst wirkt sie plötzlich ziemlich blass.

»Alles okay?«, will ich wissen.

Sie hebt den Kopf, sieht mich an, doch mir wird sofort klar, dass sie im Grunde durch mich hindurchschaut. Ihre Lippen öffnen sich, Panik macht sich in ihrem Gesicht breit, und plötzlich beginnt sie, zu schreien.

6 Kommentare zu „Leseprobe “Schicksalstraum”“

  1. Konlechner Brigitte

    Wow, eine richtig lange Leseprobe und mega spannend. Ich bin schon ganz hibbelig auf das Buch. Es sind ja nur mehr 20 Tage. Das stehe ich durch😍.

    1. Die Leseprobe verstärkt noch viel mehr das Verlangen endlich weiter lesen zu können. Freue mich soo sehr auf das neue Band. Aber die Zeit erscheint noch so mega lang bis dahin.

Schreibe einen Kommentar zu Juliane Kommentieren abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*