Leseprobe

19. August 2014

Leseprobe

Wie versprochen, gibt es heute eine kleine Leseprobe aus dem fünften Band. Ich habe direkt ein Stück vom Anfang genommen, so dass ihr gleich einen Einblick bekommt, wie es mit Force weitergeht, was mit ihr geschehen ist und was sie alles durchstehen musste. Es war sehr eindrücklich diese Szenen zu schreiben, sich in Force hineinzuversetzen, wie es ihr bei all dem gehen muss … und dennoch ist sie mittlerweile zu solch einer starken Person herangereift, dass selbst diese Umstände sie nicht zerstören können. Es freut mich sehr, dass sie doch eine recht deutliche Entwicklung durchgemacht hat, reifer und erwachsener geworden ist. Sie und all die anderen werden mir auf jeden Fall sehr fehlen … So und nun wünsche ich euch ganz viel Spaß mit diesem Ausschnitt:

Prolog

Das Gewölbe war finster, kalt und aus blankem, nacktem Stein. An den Wänden waren mehrere Eisenketten befestigt, die bei jeder Bewegung laut klirrten. Die Kreaturen, die damit gefesselt waren, kauerten in der Dunkelheit. Ihre Gesichter waren blutunterlaufen; Nase, Mund und Augen schief. Tiefblaue Adern zeichneten sich deutlich unter ihrer Haut ab und pochten unruhig. Ihre Köpfe waren kahl, ihre Statur breit und kräftig; man sah ihnen an, dass sie für den Kampf geschaffen waren. Stumm und beinahe reglos warteten sie. Worauf genau, wussten sie nicht, doch spürten sie ohnehin kaum etwas. Sie waren nicht gemacht worden, um zu fühlen oder zu denken. Ihre Aufgabe bestand lediglich darin, Befehlen zu gehorchen und ihrem inneren Drang, nach Vernichtung, Zerstörung, nachzugehen. Damit waren sie die perfekten Krieger.

Es hatte sehr lange gedauert, sie herzustellen. Doch letztendlich hatte es sich gelohnt. Nach dem ersten Testlauf in Morbus, der so kläglich gescheitert und beinahe das ganze Vorhaben in Gefahr gebracht hatte, war man sich nach weiteren Versuchen nun sicher: Die Geschöpfe waren bereit für die Schlacht. Sie gehorchten den Instruktionen, und auch ihre Körper waren mittlerweile soweit verbessert worden, dass sie nicht geschlagen werden konnten. Es war alles bereit.

Einige der Kreaturen begannen sich zu bewegen, und ihre Ketten rasselten in dem Kellergewölbe, das ansonsten still war. Ihre Augen starrten leer in die Dunkelheit; sie konnten fühlen, dass sich ihnen jemand näherte. Jemand, der über magische Kraft verfügte. Sie wurden unruhig, Gedanken flossen zäh durch ihren Verstand. Alles, wonach sie sich sehnten, war zu töten. Ihre Lippen verzogen sich, als sie knurrende Laute von sich gaben. Die Magie kam immer näher; sie wollten sie vernichten. Dafür waren sie erschaffen worden. Je stärker sie diese spürten, desto größer waren auch ihr Wunsch und ihr innerer Drang danach, sie auszulöschen. Ihre Muskeln spannten sich an, sie zerrten an den Ketten und brüllten, als sich eine schwere Eisentür öffnete und ein Mann hereintrat.

Mit kaltem Lächeln musterte er die Geschöpfe. Nun war es so weit: Endlich sollten sie nach Incendium gebracht werden, damit sie diese Welt und alles Leben darin zerstören konnten, um die Welt und alles Leben darin zu zerstören. Die letzte Schlacht konnte beginnen …

 

Dunkelheit

Wie viele Tage wohl mittlerweile vergangen waren? Ich wusste es nicht, sondern hatte vielmehr jegliches Zeitgefühl verloren. Mit der kalten Steinwand im Rücken, eine raue Decke um mich gewickelt, kauerte ich auf dem Boden und wartete. Worauf? Darauf, dass die Stunden vergingen und man mich irgendwann abholen würde.

Noch immer erschienen mir die Geschehnisse der vergangenen Tage wie ein schrecklicher Albtraum. Ständig sah ich das Bild des roten Himmels vor mir, wie dieser zersprang, und mittendrin Devils wunderschönes Gesicht. An diesem Tag hatte er mich ein allerletztes Mal in den Armen gehalten, mich geküsst und mir gesagt, wie sehr er mich liebte.

Ich schloss die Augen und durchlebte in meiner Erinnerung noch einmal, wie anschließend auch er in tausend Scherben zerbrochen war, kaum dass sein Zauber die Welten voneinander getrennt hatte.

Nun gab es keine Möglichkeit mehr, ihn jemals wiederzusehen. Ich spürte, wie ich zu zittern begann, und zog die Decke fester um mich. An diesem Tag hatte ich alles verloren, und noch immer saß der Schock tief. Die Radrym hatten alles mit angesehen und wussten seitdem um meine Gefühle für Devil. Sofort hatte man mich festgenommen, auf die Beine gezogen und hierher nach Baras gebracht, in das schrecklichste Gefängnis Necares, wo nur die schlimmsten Verbrecher untergebracht waren. Zu ihnen zählte man nun auch mich. Ich wusste, was mir drohte, wollte aber den Gedanken daran zugleich nicht zulassen. Doch vermutlich wäre sogar der nahende Tod noch besser, als über Monate und Jahre in diesem Loch langsam verenden zu müssen.

Dass ich Baras bald würde verlassen können, war eher unwahrscheinlich. Es gab niemanden, der mir hätte helfen können. Und mein Vater hatte allzu deutlich gezeigt, dass er sich von mir distanzierte. Er wollte seine eigene Haut retten und hatte daher Abstand von mir genommen.

Immer wenn ich an ihn dachte, sah ich das Entsetzen in seinen Augen, als man mich bei meiner Verhaftung an ihm vorbeigeführt hatte. Seitdem hatte ich ihn nicht mehr gesehen; er hatte mich nicht ein einziges Mal im Gefängnis besucht. Alles, was ich über die Vorgänge draußen und über sein Handeln wusste, hatte ich von meinen Gefängniswärtern erfahren, denen es anscheinend Freude bereitete, mir immer wieder aufs Neue meine ausweglose Lage vor Augen zu führen. Ja, so war es. Ausweglos. Devil würde nicht zu mir kommen können … niemals mehr …

Die Wärter hatten mir einzureden versucht, er wäre tot … dass es niemand überleben konnte, so viel magische Kraft anzuwenden, um die Welten voneinander zu spalten, ohne dabei zu sterben. Die Scherben, in die er zersplittert war, ließen Ähnliches vermuten, doch ich wusste und spürte, dass er weiterhin am Leben war. Dieser Gedanke allein – der Glaube daran, dass er in Freiheit war – machte meine Situation etwas erträglicher.

Gleich nach meiner Ankunft in Baras hatte man mir all meine persönlichen Gegenstände abgenommen. Lediglich die Kleidung, die ich auch jetzt noch trug, hatte ich anbehalten dürfen. Alles andere war mir entrissen worden, darunter auch das Armband mit der Perle, das mir stets so viel Sicherheit und Vertrauen geschenkt hatte. Anhand des Armbands hatte ich immer erkennen können, wie es Devil ging, und hatte mich ihm auf diese Weise nahe gefühlt. Aber wie hatte ich nur so dumm sein können? Ich hatte die Männer angefleht, mir das Band zu lassen, doch sie hatten mich nur verhöhnt und verspottet. Mittlerweile wusste ich, dass ich mir das Betteln hätte sparen können. Am besten sprach man kein einziges Wort mit ihnen und ging auf ihre Provokationen gar nicht erst ein. Am Ende badete man jeglichen Widerstand doch selbst aus, bekam weniger zu essen oder nichts zu trinken …

Meine Finger glitten an meinem Hals entlang und fanden die Kette mit dem Fiores-Kristall. Wenigstens ihn hatten sie nicht gefunden. Er gab mir Kraft und das Gefühl, mit Devil weiterhin auf besondere Weise verbunden zu sein. Was mit dem Stein wohl geschah, wenn sie mich töteten? Ich versuchte den Gedanken zu verjagen. Noch war es nicht so weit, und ich würde dafür kämpfen, am Leben zu bleiben. Allerdings standen meine Chancen ziemlich schlecht …

Diese Gedanken gingen mir ununterbrochen durch den Kopf. Wie hätte es auch anders sein können? Ich hatte alles verloren, würde Devil, den ich so sehr liebte, niemals wiedersehen und dieses Gefängnis wahrscheinlich nie mehr lebendig verlassen. Und selbst wenn … In Necare gab es nach all dem keinen Platz mehr für mich. Ich war von den Oberen dieser Welt verhaftet und gedemütigt und von meinem eigenen Vater im Stich gelassen worden … Ich schluchzte leise auf.

Meine Mutter machte sich bestimmt unglaubliche Sorgen, immerhin hatte sie nun schon seit längerem nichts mehr von mir gehört. Sie wusste nicht, was alles geschehen war, und hatte keine Ahnung davon, dass die Welten und damit auch wir getrennt worden waren.

Ich legte meinen Kopf auf die Knie und fühlte diese schwarze Leere in mir, die mich zu zerreißen drohte. Plötzlich durchzuckte ein Schrei die Stille; ich schreckte auf und starrte in die mich umgebende Finsternis.

Wieder vernahm ich das Brüllen, das nun in ein verzweifeltes Keuchen und Schluchzen überging. Es kam aus einer der Zelle rechts von mir. . In den letzten Tagen hatte ich immer wieder die anderen Gefangenen gehört. Ich wusste nicht, wie lange ein jeder von ihnen bereits hier war, doch schien keiner mehr bei Verstand zu sein. Wie lange es wohl dauerte, bis es mir ebenso erging?

„Sei still! Sei endlich still!“, brüllte ein anderer Insasse.

Die Schreie gingen nun in ein Jaulen über, das kaum mehr menschlich klang.

„Halt die Klappe, sonst kommen sie uns holen. Einen nach dem anderen“, fuhr der Mann fort und die Angst, die in seiner Stimme mitschwang, war nicht zu überhören. „Wir werden von hier fortgebracht und kommen nie mehr zurück. Zumindest nicht mehr als die, die wir einmal waren …“

Mein Herz hämmerte bei diesen Worten. „Was meinst du damit?“, rief ich in die Finsternis. Das alles erinnerte mich sehr an die Visionen, die ich vor einiger Zeit gehabt hatte. Damals hatte ich mich hier in Baras stehen sehen und beobachtet, wie man einzelne Gefangene aus den Verließen schleppte und fortgebrachte. Noch immer hallten die Worte in mir nach, die mir eine Stimme dabei zugeraunt hatte:

„Sie holen uns. Wir, die stumm, ohne Sinn und Verstand sind … die Gebrochenen, die Verlorenen … Einer nach dem anderen wird von ihnen geholt und verschwindet. Das Grauen hat längst begonnen und wir sind ein Teil davon. Töte uns! Bitte töte uns!“

Der Mann lachte schrill. „Ganz zu Beginn sind einige von uns noch zurückgekommen, aber wie … So will ich nicht enden. Nicht so!“ Er begann zu schluchzen, wurde immer lauter. „Ich bin kein Engel und war auch nie einer, doch ich will hierbleiben. Lasst mich in Ruhe, lasst mir meinen Kopf. Nehmt, was ihr wollt, nur schneidet nicht in mir herum und reißt nicht alles aus mir heraus. In mir ist kein Monster, auch wenn ihr das vielleicht alle glauben mögt. Ich bin kein Monster …“

Für mich stand fest, dass der Insasse nicht mehr bei klarem Verstand war. Ich wurde aus seinen Worten jedenfalls nicht schlau. Was hatte er aus Irrsinn gesagt, was entsprach der Wahrheit? Und was wollte er überhaupt mit all dem zum Ausdruck bringen? Ich wusste es nicht. Allerdings hatte er offensichtlich vor irgendetwas Angst. Und seine Worte waren denen aus meiner Vision zudem auffällig ähnlich

Seit Force’ Festnahme war über eine Woche vergangen. Thunder, Shadow, Sky und Saphir saßen nachdenklich im Zimmer der Mädchen. Noch immer waren sie von den vergangenen Ereignissen geschockt und konnten nicht begreifen, dass ihre Freundin nun in Baras gefangen gehalten wurde.

„Und wenn wir doch noch mal mit ihrem Vater sprechen? Vielleicht kann er dafür sorgen, dass wir sie wenigstens kurz besuchen dürfen?“, schlug Sky vor.

„Vergiss es“, antwortete Thunder. Sie saß mit ernster Miene auf ihrem Bett. „Wir haben schon mehrfach versucht, mit ihm zu reden, doch dieser Diener Walther hat uns unmissverständlich klargemacht, dass Ventus uns nicht sehen möchte. Er wolle mit nichts und niemandem in Kontakt stehen, der etwas mit seiner Tochter zu tun hat. Du hättest mal hören sollen, wie abfällig selbst dieser Angestellte das Wort Tochter ausgesprochen hat.“

„Ich kann das alles noch immer nicht begreifen“, wandte Saphir ein und schüttelte fassungslos den Kopf. „Irgendwas müssen wir uns jedenfalls einfallen lassen. Nach allem, was die Medien so berichten, scheint das Urteil ja bereits festzustehen.“

Jedem der vier war klar, was er damit meinte. Sie alle hatten die Artikel in den Tageszeitungen gelesen und die Berichte im Fernsehen gesehen. Force galt aufgrund ihrer Verbindung zu Devil als eine der schlimmsten Verbrecherinnen Necares. Ihr drohte die Todesstrafe, und ihren Freunden war bewusst, dass diese Strafe unumgänglich war.

Ihr aller Leben hatte sich seit diesem Tag stark verändert. Sie alle waren bereits einige Male von den Radrym verhört worden und würden solche Befragungen sicher auch in Zukunft noch öfter über sich ergehen lassen müssen. In der Schule ließen die Lehrer und Mitschüler sie weitestgehend in Ruhe, doch die Blicke, die sie ihnen zuwarfen, waren misstrauisch und voller Argwohn. Als herausgekommen war, dass sich der Occasus erneut unter falschem Namen an der Roldenburg aufgehalten hatte, hatten die Radrym erneut eine Untersuchung eingeleitet. Zudem patrouillierten nun aus Sicherheitsgründen ständig einige Mitglieder auf dem Schulgelände.

„Wenn wir sie wenigstens kurz sehen und ihr etwas Mut zusprechen könnten. Sie soll wissen, dass sie nicht völlig allein ist und dass wir weiterhin hinter ihr stehen“, wandte Shadow ein.

„Dieser Umstand wird sie letztendlich aber auch nicht retten“, sagte Sky leise. Er wirkte traurig und sorgenvoll bei diesem Gedanken. „Wir müssen sie da rausholen und fortbringen.“

„Aber dann wird Force ihr restliches Leben auf der Flucht sein“, gab Saphir zu Bedenken.

„Das ist immer noch besser, als gar nicht mehr am Leben zu sein“, erwiderte Sky.

Ein leises Klopfen unterbrach die Unterhaltung. Sie alle blickten zur Zimmertür, als sich diese öffnete und eine Gestalt hereingeschlüpft kam.

„Gibt es was Neues?“, wollte Archon wissen, setzte sich neben seine Schwester und blickte fragend in die Runde.

Thunder schüttelte verneinend den Kopf. „Céleste hat heute ihre Befragung bei den Radrym. Vielleicht kann sie bei dieser Gelegenheit ja noch etwas herausfinden.“

„Wir anderen sind in den nächsten Tagen an der Reihe“, fuhr Shadow fort. „Möglicherweise erfährt dabei einer von uns, wie es Force geht oder wo genau sie in Baras gefangen gehalten wird.“

„Wie war es bei dir?“, wandte sich Sky an Archon.

Der schüttelte langsam den Kopf. „Meine Kontakte haben mir nur bestätigt, dass sich Force momentan in Baras aufhält. Wo genau oder wie es ihr geht, darüber wissen oder sagen sie zumindest nichts.“ Man sah ihm an, dass die letzten Tage nicht spurlos an ihm vorübergegangen waren. Er war blass, wirkte müde und abgespannt. Doch auch die anderen sahen allesamt mitgenommen aus. Es fiel ihnen schwer, mit der momentanen Situation umzugehen. Sie wollten etwas unternehmen, um Force zu helfen, doch ihnen waren die Hände gebunden.

„Wir müssen auf jeden Fall weiterhin nach einem Weg suchen, um sie zu befreien. Irgendetwas wird uns doch wohl einfallen. Bei unseren Befragungen durch die Radrym, müssen wir Augen und Ohren offenhalten“, erklärte Archon. „Vielleicht gelingt es uns ja, ihnen irgendwelche Informationen zu entlocken. Und sei es nur, dass wir herausbekommen, wie es Force im Moment geht. Zeitgleich sollten wir nach weiteren Möglichkeiten suchen. Ich werde noch mal einige Kontakte befragen; vielleicht kennt doch irgendwer eine Schwachstelle in Baras oder aber einen Wärter, den man bestechen könnte. Auf jeden Fall müssen wir uns beeilen. Keiner weiß, wie viel Zeit uns bleibt.“

„Ich hätte nie gedacht, dass ich die Radrym einmal hassen würde“, sagte Thunder mit leiser Stimme. „Für mich waren sie stets ein Vorbild und die Venari meine Idole. Ich hatte eine von ihnen sein wollen.“

Sky erhob sich von seinem Stuhl und setzte sich neben sie. Er nahm sie in den Arm, und während er ihr beruhigend durchs Haar strich, lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter.

„Ich kann verstehen, wie enttäuscht du bist. Mir erging es damals genauso, als sie Devil gejagt haben. Sie haben sich nichts anderes als seinen Tod gewünscht und Saphir und mich stundenlang über ihn verhört. Da wir nun auf der anderen Seite stehen, können wir endlich erkennen, wie skrupellos und unbarmherzig sie sind.“

„Force hat nie etwas Unrechtes getan“, fuhr Thunder fort und wischte sich eine Träne aus dem Auge. „Ihr einziges Verbrechen besteht darin, sich in einen Dämon verliebt zu haben. Dabei hat er die Welten nur getrennt und nicht, wie befürchtet, vernichtet. Und trotzdem tun weiterhin alle so, als ginge enorme Gefahr von ihm aus; als käme er demnächst zurück, um uns doch noch alle zu vernichten.“

„Die Radrym nutzen die Angst und Unsicherheit der Leute. Sie schüren sie sogar noch mit ihren Hetzreden und verstärken das Feindbild. Auf diese Art vergrößern sie ihre Macht und ihren Einfluss“, brachte Shadow mit finsterem Blick ein.

„Sie sind Abschaum! Das Allerletzte!“, stieß Thunder wütend aus. Zorn blitzte in ihren Augen auf, als sie sich von Sky losmachte sich. „Ich hasse diese Kerle. Und allen voran Force’ Vater. Wie kann er sie nur einfach so fallen und im Stich lassen?“

„Das verstehe ich auch nicht “, gab Archon zu. „Aber es hilft nichts, sich darüber Gedanken zu machen. Wir sollten lieber überlegen, wie wir sie aus diesem Gefängnis herausbekommen. Das ist das Einzige, was jetzt zählt.“

Die anderen nickten, und Entschlossenheit legte sich in ihre Gesichter.

„Wir werden nicht zulassen, dass diese Mistkerle Force etwas antun“, erklärte Sky mit fester Stimme.

Dumpfe, schwere Schritte kamen den Korridor entlang. Wieder einmal begann mein Herz zu hämmern. Jedes Mal aufs Neue hatte ich Angst, man käme mich holen, um mich nun doch zu töten. Gleichzeitig wollte ich nichts lieber, als endlich hier rauszukommen! Ich wollte endlich wieder das Tageslicht sehen, den Gestank meiner Zelle hinter mir lassen …

Als die kleine Klappe, die unten in der Tür angebracht war, geöffnet wurde, drang das helle Licht einer Fackel zu mir in die Zelle hindurch.

Ich war selbst den mattesten Lichtschein nicht mehr gewohnt. Es schmerzte so sehr in den Augen, dass ich sie zusammenkneifen musste.

Eine Hand schob einen Teller mit Essen und einen Krug Wasser zu mir herein und verschwand danach gleich wieder. Dann wurde die Luke geschlossen, die Schritte entfernten sich von meiner Zelle und traten zur nächsten. Ich hörte, wie die anderen Gefangenen wirr vor sich hinredeten, manche schrien oder flehten den Wärter an, sie endlich zu töten.

Jeden Tag lief die Essensverteilung auf diese Art ab, doch man gewöhnte sich an das Gebrüll der anderen, an ihr wildes Gebrabbel. Es war traurig, dass man sich an so etwas tatsächlich gewöhnen konnte …

Ich robbte über den Boden und tastete mich in der Dunkelheit bis zu dem Krug und dem Teller vor. In den ersten Tagen hatte ich das Zeug kaum herunterbekommen; es roch entsetzlich und schmeckte auch nicht besser, sodass ich beinahe froh darüber war, nicht genau erkennen zu können, was man mir da zu essen gab.

Endlich berührten meine Finger eine Metallschüssel, die ich sofort an mich heranzog. Nur wenige Zentimeter daneben stand der tönerne Krug, den ich sofort entkorkte und einige Schlucke daraus trank. Ich schätzte, dass der Krug etwa einen Liter fasste. Mehr gab man uns nicht pro Tag, weshalb ich mir die Flüssigkeit stets einteilte.

Ich kroch wieder zurück, lehnte mich an die Wand und begann, die dickliche Pampe zu essen, wobei ich mir einzureden versuchte, es sei Kartoffelbrei. Das andere zähe Zeug Fleisch. Es hatte einen miefigen Nachgeschmack. Erneut hoffte ich, dass ich von einer Lebensmittelvergiftung verschont blieb.

Mittlerweile hatte ich mitbekommen, dass man Verletzte oder Kranke einfach in ihren Zellen liegen ließ. Zwischendurch hörte man sie im Fieberwahn schreien oder vor Schmerzen brüllen, doch es kam nie jemand, um ihr Leiden zu lindern.

Als man uns das letzte Mal Essen gebracht hatte, war den Wärtern aufgefallen, dass einer der Gefangenen tot in seiner Zelle lag.

Da ich nie das Tageslicht sah und keine Uhr hatte, war mir mittlerweile jegliches Zeitgefühl abhandengekommen.

Den Gesprächen der Wärter hatte ich entnommen, dass der Häftling dem Infekt, der ihn befallen hatte, letztendlich erlegen war. Das alles hatten sie ohne jegliches Mitgefühl festgestellt und die Leiche wenig später weggeschleppt.

Ich kratzte die letzten Reste meines Essens zusammen und hoffte, dass ich nicht ebenso wie besagter Gefangener enden würde.

Die Schreie waren inzwischen weniger geworden, die meisten Insassen hatten sich vermutlich ihrer Mahlzeit zugewandt. Nur einer der Männer brüllte noch immer: „Sie wollen mich vergiften! In dem Zeug ist Gift drin. Sie haben vor, mich zu schwächen, damit sie mich von hier wegschleppen können. Ich will nicht, dass mir dasselbe wie Marlow passiert.“ Er kreischte weiter in den hellsten Tönen.

Langsam stand ich auf und ging auf meine Zellentür zu. Etwa in Kopfhöhe befand sich ein kleines eisernes Gitter, durch das man in den Flur hinausschauen konnte. Ich sah den dunklen Gang entlang und konnte in dem fahlen Licht die Türen erkennen, hinter denen andere Gefangene saßen.

„Wer ist Marlow?“, fragte ich leise. „Was ist mit ihm geschehen?“

Doch der Insasse antwortete mir nicht, sondern sprach ununterbrochen in seinem Wahn weiter: „Sie hätten ihn besser getötet, das alles hat er nicht verdient.“

„Gib es auf, Mädchen“, rief mir eine zweite Männerstimme zu. „Lamark hat schon vor langer Zeit den Verstand verloren. Aber wer von uns hat das nicht?“ Er lachte laut auf; das Geräusch wurde von den kalten Wänden zurückgeworfen und hallte durch den Korridor.

„Wer bist du?“, wollte ich wissen.

„Mein Name ist Avis. Und du, Mädchen? Wie heißt du und was hat dich an diesen gottverfluchten Ort gebracht?“ Seine Stimme hatte einen tiefen, angenehmen Klang, doch er hörte sich nicht wie ein alter Mann an. Ich schätzte ihn vielmehr auf um die vierzig.

„Force“, antwortete ich in die Dunkelheit. „Ich heiße Force. Ich hatte … Kontakt zu einigen Dämonen“, erklärte ich ausweichend.

„Oh, noch so jung und schon eine so aussichtslose Zukunft .“

Mein Magen krampfte sich bei diesen Worten zusammen. Ich wusste selbst, wie aussichtslos meine Situation war, doch genau das von einem Fremden noch mal bestätigt zu bekommen versetzte mit einen weiteren Stich.

„Und warum bist du hier?“, fragte ich.

Er kicherte leise. „Warum? Ja, warum? Es ist schon lange her und kommt mir vor wie aus einem fremden Leben. Doch ich bin hier, also muss ich es wirklich gewesen sein, der all das getan hat, nicht wahr? Ich war ein Hehler, habe dämonische Gegenstände weiter-verkauft. Du siehst, es war nicht legal, was ich getan habe, aber es war wiederum nichts, womit ich all das hier verdient hätte.“

„Wie lange bist du schon hier, Avis?“

Er schwieg für einen Moment, dachte offensichtlich nach. „Es müssen über zehn Jahre sein, aber genau kann ich es dir nicht sagen. Zeit ist etwas, das hier drinnen irgendwann keine Rolle mehr spielt. Hier gibt es keine Tage, Wochen oder Jahre, sondern nur die Finsternis, die einen ständig umgibt.“

Zehn Jahre … Ich war nun etwas über eine Woche hier, vielleicht neun oder zehn Tage. Und schon jetzt konnte ich das alles kaum mehr ertragen. „So lange würde ich das nie durchstehen“, hörte ich mich sagen.

Avis lachte glucksend. „Mädchen, du hast gar keine andere Wahl. Entweder du klammerst dich an dein Leben, oder du hoffst, dass du früher oder später doch einer Krankheit erliegst und schnell dahinsiechst. Glaub mir, mit diesen Gedanken quälen wir uns alle, aber irgendwann musst du eine Entscheidung treffen. Willst du kämpfen oder sterben?“

„Ich könnte das nicht“, erwiderte ich. Allein die Vorstellung, diese Ewigkeit in der Finsternis verbringen zu müssen. Ganz allein, abgeschieden und ohne jemals wieder die Sonne oder meine Freunde sehen zu dürfen oder den Wind auf meiner Haut zu fühlen.

Der Mann seufzte bei meinen Worten, und seine Stimme wurde ernst. „Bei dir wird es sicher schnell gehen. Traitorn wie du bleiben hier nicht lange.“

Eine andere Stimme mischte sich ein. „Ja, sie werden dich töten. Ganz schnell. Wirst hier weggebracht und kommst nie wieder.“ Der Kerl kicherte, und mir schnürte sich ein Eisenring aus nackter Furcht um den Brustkorb.

„Hör auf mit dem dummen Geschwätz“, mischte sich Avis ein. „Mach der Kleinen nicht noch zusätzlich Angst, es ist ohnehin schon alles schlimm genug für sie.“ Nun wandte er sich wieder an mich. „Hör zu, Mädchen. Man wird dich sicher zunächst ein paar Mal befragen, dafür holen die Wärter dich ab. Aber erst wenn sie dich in die Kellerräume bringen, wirst du nicht mehr in deine Zelle zurückkehren.“

Sie töteten die Leute also gleich hier im Gefängnis?

„Blödsinn!“, mischte sich der andere wieder ein. „Hoffe bloß, dass du nie zu den Radrym gebracht wirst. Stirb lieber gleich in diesen Mauern. Alles ist besser, als zu diesen Kerlen gezerrt zu werden. Marlow, Trevor, Logren und all die anderen sind nie wieder zurückgekehrt. Wir alle kennen die Geschichten und wissen, was mit ihnen geschehen ist. Und was mit uns früher oder später passieren wird. Oh, ich hoffe so sehr, dass sie mich vorher töten. Bitte tötet mich!“ Jetzt weinte und wimmerte der Mann.

„Wovon redest du da? Was meinst du damit?“

„Frag lieber nicht, Kleine“, antwortete Avis. „Es gibt schon genug, vor dem du Angst hast und um das du dich sorgen solltest. Das musst du nicht auch noch wissen. Nein, nicht das. Ein kleines Püppchen wie du sollte davon verschont bleiben.“

„Jetzt sag schon, wovon du sprichst. Ich kann damit umgehen. Nun red endlich!“, forderte ich ihn auf. „Ich bin ebenso eine Gefangene wie ihr. Ich sollte wissen, was um mich herum geschieht und was hier vor sich geht.“

Doch Avis blieb still und sprach kein weiteres Wort mehr.

 

12 Kommentare zu „Leseprobe“

  1. Grandios .. ich freue mich auf das Buch, mein Kindl kann “Necare 5” schon im Schlaf allein eintippen. Die Leseprobe – so toll sie ist und so sehnsüchtig sie erwartet war – schürt die Ungeduld noch mehr, aber auch die Vorfreude!!
    Bin sehr gespannt wie die Romanze & natürlich der Rest der Geschichte um die Welten ausgeht, die Fantasie spinnt schon vor.
    Danke für die spannenden Lesestunden, die vergangen sind und auch folgen ..
    Alles Gute

    1. Vielen, vielen Dank für deine lieben Worte. Es freut mich wirklich sehr, dass dir die Leseprobe und die bisherigen Bände so gut gefallen haben. Ich hoffe, dass das Ende ein gelungener Abschluss wird, der euch begeistern kann. 😀 Momentan arbeite ich schon viel an dem neuen Buch, das danach erscheinen wird. Aber dazu gibt es demnächst mehr 😉

  2. mehr, mehr, mehr….
    das ist ja nicht zum Aushalten…
    Leseproben sind so gemein, dadurch werde ich nur noch ungeduldiger, aber wie immer kann ich es nicht sein lassen. Super Einstieg!!! Wenn es doch nur schon Oktober wäre … aber es wird doch sicherlich noch eine Leseprobe geben mit der ich mich “foltern” kann oder? 😉

    Liebe Grüße

    1. Es wird auf jeden Fall noch eine kleine Leseprobe geben und auch der Trailer wird noch folgen. Es gibt also noch ein paar Dinge, die die Wartezeit versüßen oder vielleicht auch erschweren. xD Ich kenn das jedenfalls selbst nur zu gut, ich hasse warten. xD

  3. Birgit Winderlich

    Sehr geil. Ich freue mich schon riesig auf den fünften Teil von Necare. Ich bin wirklich fasziniert von den Büchern, obwohl ich, glaub ich, wohl nicht ganz in das Alter passe, für die die Serie geschrieben ist. Ich habe beim Büchertreff.de Teil drei und vier bewertet. Vielleicht gefallen dir die Bewertungen ja. LG Birgit

    1. Vielen, vielen Dank für die tollen Bewertungen! Sie gefallen mir nicht nur, ich bin wirklich begeistert davon und freue mich sehr, dass dir die Bücher so gut gefallen!! Herzlichen Dank für deine lieben Worte und die Rezensionen. <3

  4. Ohhhh ! Ich freue mich schon.

    Bin gespannt wie’s weiter geht. Konnte es nicht glauben, dass Devil Force allein ihrem Schicksal überlässt. Er kann doch nicht glauben, dass Force in ihr altes Leben zurückkehren kann ?! Wie bl… naiv muss man da sein ? Somit kann ich es kaum erwarten die Fortsetzung zu lesen. Bedanke mich schon im voraus für’s Lesevergnügen.

    1. Ja, ich hoffe der Verlauf der Geschichte wird dir gefallen und dass sich alle eventuellen Ungereimtheiten noch lösen 😉 Ich danke dir wirklich für das große Lob! Es freut mich riesig, dass dich die bisherigen Bände begeistern konnten.

  5. Hallo Juliane !

    Bis zum 1.Oktober ist nicht mehr lang. Ich hab mir Band 5 auch schon vorbestellt. Hast du eine zweite Leseprobe geplant? Deine Fans würden glatt vom Stuhl kippen, wenn das noch drin wäre (incl. mir). 🙂

    1. Oh, das freut mich!! *-* Ich hoffe, der Band wird dir gefallen! Bin schon ganz gespannt. Jetzt dauert es ja wirklich nicht mehr lange 😉 Ich denke schon, dass es noch mit einer kleinen Leseprobe klappen wird. Wahrscheinlich nächste Woche. 😉

Schreibe einen Kommentar zu Caméo Kommentieren abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*