Leseprobe 3 “Schicksalstraum”

Ich wünsche euch einen tollen Sonntag und hoffe, ihr könnt den Tag entspannt angehen. Ich werde gleich noch arbeiten und anschließend einiges aufräumen müssen. Ich bekomme nämlich ein neues Arbeitszimmer und dafür muss erst mal Platz geschafft werden. *-* Aber auch für die Veröffentlichung morgen will noch einiges vorbereitet werden. Endlich ist es dann soweit und ich bin dermaßen gespannt, wie euch “Schicksalstraum” gefallen wird. Eine kleine Leseprobe habe ich noch für euch, morgen könnt ihr dann schon selbst lesen, wie es mit Tess weitergeht. <3

 

Noah und ich treffen uns in der Nähe eines Fast-Food-Restaurants und setzen uns, kaum dass wir uns begrüßt haben, in Bewegung. Ich bemerke sofort, dass es ihm nicht gut geht. Er sieht nicht nur müde aus, er wirkt grau im Gesicht, sorgenvoll. Von seiner sonst so unbekümmerten, lustigen Art ist im Augenblick nicht viel zu erkennen.

»Wie geht es dir?«, frage ich, obwohl ich die Antwort im Grunde bereits kenne. »Macht dir Frances’ Familie noch immer Probleme?«

Er gibt ein kurzes, trockenes Lachen von sich. »Sie haben es mit ihrer Geschichte über Frances’ Tod jedenfalls geschafft, mich in ein sehr schlechtes Licht zu rücken. Meine Familie ist im Augenblick nicht allzu gut auf mich zu sprechen und sieht sich in ihren Sorgen nur bestätigt. Ihrer Meinung nach muss ich wieder auf den rechten Weg zurückgeführt werden, Leistung zeigen, meine Aufgaben ernst nehmen. Ich werde darum gerade mit allen möglichen Aufträgen überhäuft, genau kontrolliert und bewertet. Es ist, als wäre ich ein kleines Kind.« Er schüttelt wütend den Kopf. »Hinzu kommt, dass man mich mitverantwortlich für Frances’ Tod macht.« Seine Stimme wird eine Nuance leiser. »Viele Mitglieder des Konzils lassen mich ihre Wut darüber deutlich spüren. Aber im Grunde kann ich es ihnen nicht mal übel nehmen. Denn obwohl alles anders war, als sie denken, trage ich eine gewisse Schuld daran, dass es so weit gekommen ist.«

Ich bleibe stehen und schaue Noah entsetzt an. Automatisch lege ich eine Hand auf seine Schulter, doch er zuckt zusammen und rückt ein Stück von mir weg. Ein eigentümliches Funkeln liegt in seinen Augen, in dem ich eine Spur Sehnsucht zu sehen glaube. Doch allzu schnell ist dieser Ausdruck wieder verschwunden, und ich erkenne nur noch tiefe Trauer.

»Es ist nicht deine Schuld, aber ich kann verstehen, dass du das anders siehst und meine Worte dir nicht viel Erleichterung schenken werden. Als Ty damals gestorben ist, habe ich mir so viele Verwürfe gemacht, mich immer und immer wieder gefragt, was ich hätte anders machen können. Wenn ich doch nur stärker gewesen wäre – dieser Gedanke hat mich nicht mehr losgelassen. Und ich kann verstehen, dass du nun ebenfalls unentwegt im Kopf durchgehst, wie du Frances’ Tod hättest verhindern können. Aber diese Überlegungen werden dir nicht helfen, sie werden dich nur langsam aufzehren und verschlingen.«

»Ich hätte es verhindern können«, sagt er leise. »Ich hätte für sie da sein müssen, dann wäre das alles nie so weit gekommen.«

Ich schaue ihn an und versuche mich an einem aufmunternden Lächeln. »Glaubst du das wirklich? Du weißt, wie Frances war. Selbst du hättest sie niemals von ihrem Bruder fernhalten können. Sie hätte ihm immer wieder beigestanden.«

»Ich habe ihn getroffen«, fährt Noah leise fort und starrt auf den Asphalt vor seinen Füßen. »Ich wollte ihn zur Rede stellen, ihm klarmachen, was seiner Schwester dank ihm widerfahren ist.«

Ich starre ihn sprachlos an und sehe die Wut, die Verzweiflung in seinem Blick. »Er scheint bereits seit einer Weile nach Frances gesucht und dabei auch von ihrem Tod erfahren zu haben. Doch er konnte es nicht glauben. Er ist komplett ausgerastet, und ich kann von Glück sagen, dass ich nicht verletzt worden bin. Jedenfalls scheint er nun auch noch das letzte bisschen Verstand verloren zu haben.«

»Aber er lebt noch?«

Noah nickt. »Er ist geflüchtet.« Wieder holt er tief Luft und hängt dieser dunklen Erinnerung nach. »Ich dachte, es würde mir Genugtuung verschaffen, zu sehen, wie er auf meine Nachricht hin leidet. Aber am Ende tat er mir nur leid. Er hat den einzigen Menschen verloren, der ihm wichtig war, der sich um ihn gekümmert und ihn nicht aufgegeben hat. Wer hätte das gedacht, dass ich einmal für einen Ovlem Mitgefühl empfinden könnte?«

»Er ist immerhin auch nur ein Mensch und hat in seinem Leben Schlimmes durchmachen müssen.«

»Wer sich freiwillig dem letzten Hauch zuwendet und ihn nutzt, um seine eigne Macht zu vergrößern, ist letztendlich nichts anderes als schwach«, erwidert Noah. Ich bin überrascht über die Härte in seiner Stimme. »Er wusste, was passieren würde, hat es aber wie all die anderen vor ihm nicht glauben wollen. Ich bin stark genug, ich schaffe das, das reden sie sich ein. Am Ende scheitern sie alle.«

Ich schweige, sage besser nichts dazu, denn ich kann nicht verstehen, warum man diese Noctu sich selbst überlässt. Niemand versucht, ihnen zu helfen, sie werden einfach verstoßen und existieren von einem Tag auf den anderen nicht mehr.

»Es muss schwer für dich sein«, sage ich stattdessen. »Frances’ Tod, den du irgendwie verkraften musst, dann noch all die Konzilmitglieder, die dich schlecht behandeln …«

Er streicht sich durchs Haar und schüttelt kurz den Kopf. »Ich schaffe das schon. Schlimmer wiegen die Vorwürfe, die ich mir selbst mache.«

Mir ging es damals mit Ty ebenfalls so, und auch heute denke ich noch oft an ihn. Es ist eine Last, die nie gänzlich vergehen wird, und vielleicht ist es auch ganz gut so, denn ich könnte mir nie verzeihen, wenn er weniger Platz in meinen Gedanken und meinem Herzen einnehmen würde.

Ich schaue Noah an und spüre deutlich, dass in der letzten Zeit eine Veränderung bei ihm stattgefunden hat. Er ist härter, kühler und irgendwie distanzierter geworden. In diesem Moment wäre ich so gerne für ihn da. Doch jetzt ist da eine Barriere zwischen uns, die es vorher nicht gab. Eine Mauer, die er um sich errichtet hat, um mit all den schrecklichen Ereignissen klarzukommen. Und nicht mal ich scheine sie durchdringen zu dürfen.

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